Zwischen Musik in Bethlehem und Kabbalat Schabbat in Jerusalem
Nur wenige Kilometer liegen zwischen dem jüdisch geprägten Alltag in Westjerusalem und dem palästinensischen Leben in Bethlehem. Und doch sind diese Kilometer andere als jene, die ich aus Deutschland kenne, sie lassen sich nicht problemlos mit dem Fahrrad zurücklegen.
In Israel und Palästina liegt vieles räumlich nah beieinander, was gesellschaftlich und alltäglich stark voneinander getrennt ist.
Seit August studiere ich Theologie an der Hebräischen Universität Jerusalem. Mein Studienprogramm ist auf den interreligiösen Dialog mit dem Judentum ausgerichtet, und mein Alltag findet überwiegend im Kontext des jüdischen Lebens in Israel statt.
Vor meiner Ankunft hatte ich mir ein stärkeres Miteinander der Religionen erhofft. Doch die Menschen leben getrennt in Ost und West und rechts und links der Mauer. Vor diesem Hintergrund ist Brass for Peace für mich von besonderer Bedeutung. Das Projekt schafft Räume der Begegnung, die im Alltag kaum existieren, und ermöglicht mir, persönliche Kontakte zu knüpfen und Einblicke in palästinensisches Leben zu gewinnen. Freitags fahre ich daher statt zur Universität in Richtung Bethlehem: Erst über die Siedlung Gilo, dann über den Checkpoint.
In drei verschiedenen Levels proben wir für unser Weihnachtskonzert am 20. Dezember. Das gemeinsame Musizieren verbindet über unsere Unterschiede hinweg und schenkt mir in meinem Auslandsjahr ein Gefühl von Heimat.
Vor oder nach der Probe nutze ich die Zeit, um durch Beit Sahour zu gehen, die Stadt auf mich wirken zu lassen und Besorgungen zu machen. Da am Freitagnachmittag der Schabbat beginnt, bietet sich diese Gelegenheit an, Einkäufe für den Feiertag zu erledigen. Schabbat ist ein besonderer, freudiger und sozialer Tag, dessen Beginn ich häufig mit einem gemeinsamen Essen mit Freundinnen und Freunden feiere. Kleinigkeiten für diesen jüdischen Feiertag im Westjordanland zu kaufen ist für mich wie ein kleines Ritual geworden.
Zum Beginn des Schabbat bin ich zurück in Jerusalem und spüre beim Zusammensein mit meinen jüdischen Freundinnen und Freunden deutlich, wie besonders mein Freitags-Wechsel zwischen Palästina und Israel ist.
Ich komme mir manchmal vor, als würde ich zwischen Welten springen, denn ich bewege mich zwischen Gebieten, deren Grenzen Einheimische nicht überqueren. Meine palästinensischen Freunde aus dem Posaunenchor können den Checkpoint nach Jerusalem nicht passieren; meine jüdischen Freundinnen und Freunde dürfen die palästinensische A-Zone rund um Bethlehem nicht betreten. So können palästinensische Freunde mich nicht in meiner Wohnung besuchen, und meinen israelischen Freunden ist es nicht möglich unser Weihnachtskonzert anzuhören.
Auch wenn die beiden Seiten meines Freitags nicht persönlich aufeinandertreffen, trage ich die Erfahrungen der einen Seite zur anderen. Im Musizieren und im Erzählen beim Abendessen werde ich selbst ein kleines verbindendes Element, zwischen Trompeten in Palästina und Kabbalat Schabbat in Israel.
Julia,
deutsche Theologiestudentin aus Jerusalem