Lea, die Volontärin, ist in Sicherheit

Die letzten vier Tage entwickelten die Dinge sich nach dem Angriff der Hamas am Samstag, 7. Oktober 2023 rasend schnell.

Für Donnerstag, 12.Oktober um 9 Uhr ist die Abreise aller Volontäre des Berliner Missionswerk geplant, mit dem Bus zur jordanischen Grenze, von dort dann weiter zum Flughafen Amman, und von dort nach Deutschland.

Für Lea ist die Situation ein Wechselbad der Gefühle. In der Region Bethlehem (Westjordanland) bzw. vor allem im Schulgelände von Talitha Kumi versammelten sich – einem Sicherheitskonzept folgend – am Samstag alle Volontär*innen des Berliner Missionswerkes. Talitha Kumi liegt im sogenannten A-Gebiet und gilt als relativ sicher. Seitdem ist sowohl der Schulleiter Matthias Wolf, die Kolleginnen und Kollegen des Berliner Missionswerkes und etliche Lehrerinnen und Lehrer in engem Kontakt mit den Volontär*innen. Den Volontär*innen ging und geht es den Umständen entsprechend gut und es hieß ursprünglich, dass es das beste wäre, dort in Talitha Kumi zu bleiben.

Doch angesichts einer Entwicklung, deren Richtung man nicht einschätzen kann, hat das Deutsche Auswärtige Amt nun beschlossen, die deutschen Staatsangehörigen, die das Land verlassen möchten, oder von ihrer Arbeitsorganisation aus das Land verlassen sollen, mit Sonderflügen zurück zu holen.

Es war geplant, dass die Volontär*innen mit Sonderflügen der Lufthansa zurück fliegen sollten. Leider haben die Volontäre auch nach stundenlangem Warten in der Telefon-Warteschleife keinen Kontakt zum Ticket-Center für die Lufthansa-Flüge bekommen, so dass das Berliner Missionswerk nun die Alternative über Jordanien organisiert.

Es bleibt den Volontär*innen nicht mehr viel Zeit zum Packen. Niemand weiß, ob sie während ihres Volontariates noch einmal nach Israel bzw. Bethlehem zurückkehren können. Aktuell ist das unwahrscheinlich.

Jetzt, in dieser dramatischen Entwicklung Abschied nehmen zu müssen, ohne sich verabschieden zu können, ist bitter. Lea ist gerade so richtig in der Arbeit angekommen, hat die Schülerinnen und Schüler liebgewonnen, sich auf Unterricht und Proben gefreut. Und dann muss sie plötzlich weg. Das macht sie sehr, sehr traurig. Auch wenn die Entscheidung, jetzt auszureisen, aktuell die beste ist.

Die Volontär*innen sind (bald) wieder auf sicherem Boden. Ihre Schüler*innen, Freunde, liebgewonnene einheimische Menschen müssen bleiben. Dies ist ein Privileg. Und gleichzeitig ein innerer Konflikt.

Joy, unser „Teilzeit-Volontär“ aus Beit Sahour bei Bethlehem muss bleiben. Wie alle anderen. Wir hoffen, dass das Westjordanland und das restliche Israel nicht noch Ziel von Angriffen wird.

Ob und wie die Bläserarbeit bei Brass for Peace weiter gehen wird, steht in den Sternen.

 

Carolin, unsere Koordinatorin in Teilzeit, lebt mit ihrer Familie im Süden Jerusalems. Sie schreibt:

„Rein von meinem rationalen Denken weiß ich, dass in Israel die Situation quasi jederzeit eskalieren kann. Aber als es dann am Samstag eskalierte, war ich nicht darauf vorbereitet. Bis heute kann ich es nicht ganz realisieren, aber ich versuche die Ruhe zu bewahren. Eine Ausreise ziehe ich für mich und die Kinder momentan nicht in Betracht. Uns geht es gut, die Kinder lenken uns ab, mein Mann geht wieder arbeiten und ich werde ab morgen online unterrichten dürfen. Die Prognose hier: Es wird eine Weile dauern, bis wieder ein normales Leben einkehren kann. Ich fühle mich hier aber nach wie vor sicher.“

Wir denken an all diejenigen, die nicht einfach weggehen können. Die der Gewalt ohne Möglichkeit auf Entkommen ausgesetzt sind. Die ihre Liebsten verloren haben, die sie vermissen, die verletzt sind, die keine Hilfe bekommen können…

Beten wir, dass dieses Morden ein Ende findet.